Weingut Lenotti: Tradition und Handwerk in Venetien
Am südöstlichen Ufer des Gardasees, wo eiszeitliche Moränenböden eine komplexe geologische Basis schaffen, bewirtschaftet die Familie Lenotti seit den 1900er Jahren über 100 Hektar Rebfläche. Das Familienweingut liegt im Herzen des Bardolino-Anbaugebiets und verkörpert jene Kontinuität, die für die besten Produzenten der Weinregion Veneto charakteristisch ist. Heute führt die dritte Generation unter Giancarlo und Lena Lenotti den Betrieb.
Die Weinberge profitieren von einer außergewöhnlichen Bodenvielfalt. Lockere Kies- und Sandablagerungen wechseln sich mit lehmhaltigen Strukturen ab, was unterschiedliche Drainage- und Speichereigenschaften zur Folge hat. Diese Heterogenität ermöglicht es Lenotti, sowohl autochthone Rebsorten wie Corvina und Turbiana als auch internationale Varietäten gezielt zu kultivieren. Jede Parzelle wird entsprechend ihrer spezifischen Bodeneigenschaften bepflanzt.
Das Mikroklima wird maßgeblich durch die Nähe zum Gardasee geprägt. Der See fungiert als Temperaturspeicher und mildert extreme Schwankungen ab, während gleichzeitig die Mineralität der Moränenböden den Weinen ihre charakteristische Struktur verleiht. Das Ergebnis sind Weine, die mediterrane Leichtigkeit mit der typischen Frische der Alpenregion verbinden.
Lenotti steht für Evolution statt Revolution. Die Familie respektiert das historische Erbe der italienischen Weintradition, setzt aber gleichzeitig auf zeitgemäße Kellertechnik. Diese Balance zwischen Beständigkeit und Innovation prägt sowohl die Weinbergsarbeit als auch die Vinifikation und spiegelt sich in Weinen wider, die sowohl regional verwurzelt als auch stilistisch klar sind.
Die Geschichte und Entwicklung von Lenotti
Ursprünglich war da nur ein bescheidener Mischbetrieb, wie ihn die Landschaft rund um den Gardasee viele kannte. Gemüse, etwas Getreide, ein paar Reben zwischen den Feldern. Doch in den 1960er Jahren wagte die Familie Lenotti einen entscheidenden Schritt, der heute als Wendepunkt ihrer Weinbaugeschichte gilt. Statt Trauben lediglich an Genossenschaften zu liefern, begannen sie mit der eigenen Vinifikation und Vermarktung. Eine mutige Entscheidung in einer Zeit, da viele Kleinbetriebe den umgekehrten Weg gingen.
Die folgenden Jahrzehnte prägten intensive Modernisierung und strategischen Aufbau. In den 1980er und 1990er Jahren flossen Investitionen in zeitgemäße Kellertechnik, die Rebflächen wurden systematisch erweitert, internationale Märkte erschlossen. Diese konsequente Ausrichtung trägt heute Früchte in über vierzig Ländern weltweit, wo Lenotti-Weine mittlerweile präsent sind. Was als lokale Familientradition begann, entwickelte sich zu einem respektierten italienischen Weingut von Format.
Der Generationenwechsel zur dritten Generation unter Giancarlo und Lena Lenotti sowie ihren Kindern verbindet bewährte Kontinuität mit zukunftsorientierter Vision. Als Meilenstein dieser Ära etablierte sich die Einführung der Amarone-Produktion in den 2000er Jahren. Mit diesem prestigeträchtigen Wein aus getrockneten Trauben (Appassimento-Verfahren) positionierte sich das Gut endgültig unter den ersten Adressen Venetiens und bewies, dass Tradition und Innovation keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig befruchten können.
Das Terroir und Klima: Die natürliche Basis für Lenotti-Weine
Wasser als Klimaregulator wirkt stärker, als man zunächst vermuten würde. Der Gardasee, mit seiner gewaltigen thermischen Masse von über 370 Quadratkilometern, fungiert als natürlicher Moderator für die Weinberge von Lenotti und schafft ein einzigartiges Gardasee-Mikroklima, das mediterrane Züge trägt, ohne die alpine Frische zu verlieren.
Die Reblagen erstrecken sich über eiszeitlich geformte Moränenhügel, deren Böden aus Kies, Sand und Lehm ideale Drainagebedingungen bieten. Diese geologische Vielfalt, kombiniert mit dem ausgeprägten Diurnal-Effekt (den markanten Temperaturschwankungen zwischen warmen Tagen und kühlen Nächten), erzeugt jene langsame Aromaentwicklung, die den Weinen ihre charakteristische Eleganz verleiht. Der mineralische Untergrund speichert Wärme und gibt sie kontrolliert ab, während die nächtliche Abkühlung die natürliche Säurestruktur bewahrt.
Es gibt den Mythos, Weine aus der venetischen Weinlandschaft seien grundsätzlich schwer und alkoholreich. Heute weiß man dank präziser Terroir-Analysen: Lenottis spezielle Lage erzeugt auch filigrane, frische Weine mit moderatem Alkoholgehalt. Der mineralische Lugana ist bester Beweis für diese Vielseitigkeit des Terroirs.
Die Rebsortenvielfalt am Gardasee
Die geologische Vielfalt rund um den Gardasee liest sich wie ein Lehrbuch der Bodenkunde. Steinige Kiesböden wechseln sich ab mit lehmhaltigen Strukturen, dazwischen finden sich kalkreiche Schwemmlandzeigen und sandige Moränenablagerungen. Diese Diversität ermöglicht es Lenotti, ein breites Spektrum an Rebsorten anzubauen, wobei jede ihr optimales Terroir findet. Die autochthonen Sorten (einheimische, seit Jahrhunderten hier kultivierte Rebsorten) bilden das Rückgrat: Corvina, Rondinella und Molinara für die strukturierten Rotweine, während die Turbiana-Traube das Fundament der berühmten Lugana-Weine darstellt.
Neben diesen traditionellen Varietäten kultiviert Lenotti internationale Rebsorten wie Merlot, Cabernet Sauvignon und Chardonnay, die sich über Generationen an die lokalen Gegebenheiten angepasst haben und charaktervolle, terroir-geprägte Weine hervorbringen. Die Turbiana findet in den lehmig-kalkhaltigen Böden nahe des Seeufers ihre idealen Wachstumsbedingungen. Hier entwickelt sie jene mineralische Tiefe und strukturelle Komplexität, die den Lugana-Weinen ihre unverwechselbare Signatur verleiht. Diese durchdachte Rebsortenverteilung spiegelt das über Generationen gewachsene Verständnis der Familie für ihr Land wider.
Philosophie und Handwerkskunst: Die Weinbereitung bei Lenotti
Im Keller von Lenotti herrscht eine Maxime, die so simpel wie radikal ist: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Diese Philosophie des minimalen Eingriffs durchdringt jeden Schritt der Weinbereitung, vom ersten Schnitt der Schere bis zum letzten Tropfen in der Flasche. Das Terroir (natürlicher Charakter des Standorts) soll sprechen, nicht die Technik. Eine Haltung, die Disziplin verlangt.
Die Handlese erfolgt ausschließlich von Hand, Traube für Traube. Besonders bei den großen Rotweinen wie dem Amarone della Valpolicella entscheidet diese Sorgfalt über Größe oder Mittelmäß. Nur perfekt ausgereifte Beeren gelangen in die Kelter. Arbeitsintensiv? Durchaus. Aber diese Präzision legt das Fundament für jenen Ausdruck, der Lenotti-Weine unverwechselbar macht.
In der Kellertechnik verbindet man bei Lenotti Tradition mit Moderne, ohne Kompromisse bei der Qualität. Temperaturkontrollierte Gärung bewahrt die Fruchtintensität der Weißweine und entwickelt zugleich die strukturelle Tiefe der Roten. Der Ausbau erfolgt differenziert: Edelstahltanks für primäre Aromen, Botti (große Holzfässer) für Struktur, Barriques aus französischer und slawonischer Eiche für komplexe Rotweine. Es gibt den Mythos, moderne Kellertechnik zerstöre Authentizität. Heute weiß man dank präziser Temperaturkontrolle: Technik kann Tradition stärken, wenn sie klug eingesetzt wird.
Traditionelle Techniken und moderne Innovation
Die Kunst des Wartens zeigt sich bei Lenotti nirgends deutlicher als in der Appassimento-Methode, jener jahrhundertealten Tradition, die aus ausgewählten Trauben Amarone und Ripasso entstehen lässt. Auf Holzgittern oder in speziellen Trocknungskammern ruhen die Beeren drei bis vier Monate, während Wasser verdunstet und sich Aromen sowie Zucker zu jener Konzentration verdichten, die diesen Weinen ihre charakteristische Komplexität verleiht. Was nach Geduld aussieht, ist präzise Kontrolle über jeden Tag des Trocknungsprozesses.
Parallel dazu steuert das Weingut die Malo (biologischer Säureabbau, bei dem scharfe Äpfelsäure in mildere Milchsäure umgewandelt wird) mit derselben Präzision, um die Balance zwischen Frische und Weichheit zu optimieren. Dieser natürliche Prozess, der meist nach der alkoholischen Gärung einsetzt, harmonisiert die Weine und verleiht ihnen jene Rundung, die das Terroir erst richtig zur Geltung bringt.
Es gibt einen Mythos, alle italienischen Weine müssten in Holzfässern ausgebaut werden. Heute weiß man dank gezielter Kellertechnik, dass Lenotti bei frischen Weißweinen wie dem Lugana bewusst auf Edelstahlausbau setzt, um primäre Fruchtaromen und mineralische Klarheit zu bewahren. Die Assemblage, das kunstvolle Verschneiden verschiedener Grundweine, erfordert jahrelange Erfahrung und ermöglicht die Kreation ausgewogener Cuvées, die das Terroir in seiner ganzen Bandbreite widerspiegeln.
Die Weine von Lenotti: Stilistik und Charakteristik
Ein Drahtseilakt zwischen Kraft und Finesse prägt die Lenotti-Weine, die vom mineralisch-kühlen Lugana bis zum opulenten Amarone della Valpolicella das gesamte Spektrum venetischer Weinkultur abbilden. Der Lugana DOC aus Turbiana-Trauben verkörpert dabei jene charakteristische Verbindung aus Frische und struktureller Tiefe, die das Seeterroir so unverwechselbar macht. Parallel dazu zeigt sich der Chiaretto di Bardolino als eleganter Rosé mit jener delikaten Fruchtausprägung und lebendigen Säurespannung, die ihn zum idealen Sommerwein macht.
Das Rotweinsortiment reicht vom zugänglichen Bardolino Classico über den strukturierten Valpolicella Classico bis hin zum Valpolicella Ripasso, der durch die traditionelle Ripasso-Technik (Vergärung auf den noch warmen Amarone-Trestern) deutlich an Körper und aromatischer Tiefe gewinnt. Das Flaggschiff bildet der Amarone della Valpolicella Classico, jener kraftvolle, konzentrierte Wein aus luftgetrockneten Trauben, der nach der jahrhundertealten Appassimento-Methode (kontrollierte Traubentrocknug über Monate) entsteht und Geduld sowohl in der Herstellung als auch im Genuss fordert.
Die Lenotti-Stilistik zeichnet sich durch präzise Fruchtausprägung, harmonisch integrierte Säurestruktur und ausgeprägte Terroir-Typizität aus. Diese Weine verbinden unkomplizierten Trinkgenuss für den Alltag mit der nötigen Komplexität für besondere Anlässe. Als herausragendes Beispiel gilt der "Le Crosare" Valpolicella Ripasso Classico Superiore, der reife Kirschnoten und mediterrane Gewürze mit samtiger Tanninstruktur und beachtlicher Länge vereint. Mir persönlich imponiert, wie Lenotti hier Zugänglichkeit und Tiefe in Balance hält, ohne dabei das exzellente Preis-Leistungs-Verhältnis aus den Augen zu verlieren.
Speiseempfehlungen: Welcher Lenotti Wein zu welchem Gericht?
Die Kunst der Weinbegleitung zeigt sich bei Lenotti in vier Charakteren, die unterschiedliche kulinarische Partner suchen. Bardolino Classico und der rosé Chiaretto entfalten ihre mediterrane Leichtigkeit bei Antipasti mit gegrilltem Gemüse oder gemischten Salaten, denen eine Olivenöl-Vinaigrette ihre lebendige Säure entgegenstellt. Süßwasserfisch vom Grill (Forelle, Saibling) und die klassische Pizza Margherita unterstreichen diese unkomplizierte Eleganz, während leichte Pasta-Gerichte wie Spaghetti aglio e olio die frische Struktur dieser Weine perfekt rahmen.
Der strukturierte Lugana DOC verlangt nach präziseren Speisepartnern. Seine mineralische Klarheit harmoniert mit Meeresfrüchten aller Art, von dampfenden Miesmuscheln bis zu gegrillten Gamberi, während Risotto mit Spargel oder Safran von seiner cremigen Textur profitiert. Gegrilltes Hähnchen oder zarte Kalbsmedaillons betonen die dezente Frucht des Weins, und Weichkäse wie der würzige Taleggio oder junger Gorgonzola runden das Food-Pairing harmonisch ab.
Mit dem Valpolicella Ripasso steigen Anspruch und Intensität. Dieser Wein sucht kräftige Speisen wie Ossobuco alla milanese oder den klassischen Brasato al Barolo, deren langsame Garmethoden seine samtigen Tannine ergänzen. Gegrilltes Rind, Lammkoteletts und Pasta mit herzhaftem Ragù alla Bolognese finden in seiner strukturierten Würze ihren idealen Partner, während mittelalte Käse wie Pecorino Toscano oder Provolone die komplexen Noten des Weins verstärken.
Der Amarone della Valpolicella schließlich ist ein Wein für besondere Momente. Wildgerichte wie Hirschmedaillons oder Wildschweinbraten entlocken diesem kraftvollen Rotwein seine ganze vielschichtige Komplexität. Sehr reifer Hartkäse (36 Monate gereifter Parmigiano Reggiano etwa) oder ein intensiver Brasato schaffen jene perfekte Harmonie zwischen Wein und Essen, die große italienische Küche ausmacht. Als Vino da Meditazione (Wein zum stillen Genuss) genossen, offenbart er ohne jede Speiseempfehlung seine tiefsten Aromen in meditativer Ruhe.
Fazit: Lenotti – Ein Botschafter für Tradition und Terroir am Gardasee
Tradition und Innovation als Gegensätze zu betrachten wäre bei Lenotti verfehlt. Das Familienweingut zeigt vielmehr, wie sich generationenüberliefertes Wissen um das Gardasee-Terroir mit präziser, moderner Kellertechnik verbinden lässt. Die Moränenböden, das milde Seeklima und die sorgfältige Handarbeit im Weinberg formen hier eine Stilistik, die sowohl Herkunft als auch Handwerk transparent macht.
Was besonders überzeugt, ist die Bandbreite des Sortiments. Lenotti produziert zugängliche Einstiegsweine ebenso wie komplexe Lagenweine, ohne dabei die Authentizität zu verlieren. Jede Flasche trägt das charakteristische Profil der Region in sich, jener besonderen Balance zwischen alpiner Frische und mediterraner Wärme. Mir persönlich gefällt diese Klarheit in der Ausrichtung. Wer einen verlässlichen Qualitätswein Gardasee sucht und dabei Wert auf authentische Herkunft legt, findet in Lenotti eine überzeugende Weinempfehlung Venetien. Hier stimmt das Verhältnis von Anspruch und Zugänglichkeit.