Zwischen Mistral und mediterraner Sonne
Sechzig Kilometer nördlich von Avignon, dort wo das Rhône-Tal seine sanften Hänge zwischen Orange und Laudun ausbreitet, bewirtschaftet die Domaine Pélaquie seit 1960 ihre 65 Hektar Rebfläche. Die Familie Laget führt das Weingut mit einer klaren Philosophie: traditionelles Savoir-faire und moderne Kellertechnik sollen sich ergänzen, nicht widersprechen. Das mediterrane Klima mit seinen warmen, trockenen Sommern schafft ideale Reifebedingungen. Der Mistral spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Dieser konstante Nordwestwind, der mit bis zu 150 Stundenkilometern durch die Rebzeilen fegt, trocknet die Trauben nach Regenfällen schnell ab und reduziert damit das Risiko von Pilzkrankheiten erheblich. Dadurch können die Winzer auf einen Großteil der Pflanzenschutzmittel verzichten. Die Kombination aus Kalkstein-Mergel-Böden der Côtes du Rhône und den steinigen Terrassen der Côtes du Rhône Villages ermöglicht es der Domaine, auf verschiedenen Terroirs zu arbeiten. Jede der 350.000 Flaschen, die hier jährlich entstehen, trägt diese klimatischen und geologischen Eigenarten in sich. Das ist messbar, das ist spürbar.
Terroir & Klima – Geologie als Geschmacksgeber
Die Geologie schreibt hier stumm mit. Auf den Weinbergen von Domaine Pélaquie liegen sie überall verstreut, diese runden Rollsteine aus längst vergangenen Eiszeiten. Galets roulés nennt man sie in der Rhône-Region, und sie sind weit mehr als Dekoration. Tagsüber sammeln diese Kiesel die Sonnenwärme, nachts geben sie sie behutsam an die Reben zurück. Eine natürliche Fußbodenheizung, könnte man sagen.
Das kontinental-mediterrane Klima liefert über 2.800 Sonnenstunden jährlich. Dazu der Mistral, dieser unermüdliche Nordwind, der die Rebzeilen durchfegt und die Luftfeuchtigkeit niedrig hält. Pilzkrankheiten haben hier schlechte Karten. Aggressive Pflanzenschutzmittel? Weniger nötig. Der Wind macht die Arbeit eines unsichtbaren Helfers, während die Sonne für Reife sorgt.
Was dabei entsteht, ist eine vielschichtige Mineralität in den Weinen. Die Galets roulés prägen nicht nur die Wärmeregulation, sondern auch den Charakter dessen, was später im Glas landet. Salzig-steinige Noten, die sich über Jahre entwickeln. Diese Kombination aus Sonne, Wind und den prägenden Rollsteinen verleiht den Weinen von Pélaquie ihre unverwechselbare Signatur. Terroir in Reinform.
Mikroklima und Lagendiversität
Über 120 Höhenmeter erstrecken sich die Parzellen der Domaine Pélaquie, von den warmen Tallagen bei 80 Metern bis hinauf zu den kühleren Kämmen bei 200 Metern. Diese Vertikalität ist kein Zufall. Sie schafft klimatische Nischen, die jedem Weinberg seinen eigenen Rhythmus geben. Nachts fließt kühle Luft talwärts, sammelt sich in den Senken und hält die Säurestruktur lebendig. Tagsüber erwärmen sich die exponierten Hanglagen schneller, treiben die Reife voran.
Der Boden erzählt seine eigene Geschichte. In den Côtes du Rhône Villages-Lagen wechseln sandige Lehme mit hohem Eisenoxid-Anteil (jenes rötliche Mineral, das Struktur und Farbtiefe verstärkt) ab mit reinen Kalksteinformationen. Letztere verleihen den Weinen diese charakteristische Mineralität, eine kühle Präzision, die selbst kraftvolle Rote elegant macht. Die eisenreichen Böden hingegen speichern Wärme, geben sie langsam ab und schaffen jene Dichte, die Rhône-Weine unverwechselbar macht.
Süd- und südöstliche Ausrichtung dominiert. Das bedeutet optimale Sonneneinstrahlung ohne die brutale Nachmittagshitze des reinen Südens. Der Mistral wirkt hier als klimatischer Regulator, bringt konstante Luftbewegung und verhindert Hitzestau. Diese permanente Belüftung trocknet die Trauben nach Regen schnell ab, reduziert Pilzdruck und konzentriert die Aromen. Ein natürliches System, das Kraft und Frische in Balance hält.
Philosophie & Handwerk – Tradition trifft Präzision
Minimale Intervention heißt das Credo bei Domaine Pélaquie. Was nach Zurückhaltung klingt, erweist sich als durchdachtes System aus Präzision und Respekt vor der Natur. Jede Traube wird per Hand gelesen, eine Praxis, die weit über romantische Tradition hinausgeht. Handlese bedeutet Selektion in Echtzeit, bedeutet, mechanische Verletzungen zu vermeiden und nur die reifen Früchte zu ernten.
Die Ertragsreduktion auf 45 bis 50 Hektoliter pro Hektar liegt bewusst unter dem AOC-Maximum von 52 hl/ha. Diese scheinbar kleine Differenz macht den Unterschied zwischen Konzentration und Verwässerung. Im Weinberg setzt das Gut auf Begrünung zwischen den Rebzeilen, mechanische Bodenbearbeitung statt Herbizide. Nachhaltigkeit als Handwerk, nicht als Marketingversprechen.
Das Guyot-System prägt die Rebenerziehung und sorgt für optimale Belüftung der Trauben sowie kontrollierte Erträge. Gezielter Schnitt manipuliert das Wachstum, ohne die Rebe zu überfordern. Tradition und modernes Wissen verschmelzen zu einer Symbiose aus handwerklichem Geschick und wissenschaftlicher Präzision.
Im Keller wird die malolaktische Gärung zum Stellrad für die Stilistik. Dieser biologische Säureabbau läuft bei den kraftvollen Rotweinen vollständig durch, während er bei frischeren Cuvées teilweise unterdrückt wird. So bleibt die natürliche Säurestruktur erhalten. Eine präzise Steuerung, die je nach Jahrgang und Stilanforderung die Nuancen der Weine formt und verbessert.
Kellertechnik und Ausbau
Die Vinifikation bei Domaine Pélaquie beginnt in Edelstahltanks, die der Primärfrucht der Rhône-Weine ihre Klarheit bewahren. Diese kontrollierte Umgebung hält die Aromenreinheit aufrecht, bevor der Wein seinen Weg zu strukturgebenden Fässern antritt. Der Übergang markiert den Beginn einer durchdachten Reifung, die Frische und Komplexität in Balance hält.
Französische Eiche kommt in Form von Barriques und größeren Foudres zum Einsatz. Diese Gefäße verleihen den Weinen nicht nur Struktur, sondern verfeinern auch ihre Textur durch kontrollierten Sauerstoffaustausch. Die Holzwirkung zeigt sich subtil, verstärkt die natürlichen Tannine und verleiht den Cuvées jene Tiefe, die für lagerfähige Rhône-Weine charakteristisch ist.
Das traditionelle Pigeage (Unterstoßen der Maische) wird täglich durchgeführt und gewährleistet eine präzise Extraktion von Farbstoffen und Tanninen. Diese manuelle Arbeit ergänzt die Domaine durch Mikrooxidation, eine Technik des kontrollierten Luftkontakts während der Gärung. Dieses Verfahren macht die Tannine geschmeidiger und stabilisiert gleichzeitig die Farbe, ohne den Wein unnötigem Stress auszusetzen.
Bei der Schwefelung verfolgt die Domaine eine zurückhaltende Strategie. Die Rotweine bleiben deutlich unter 100 mg/l Schwefel, die Weißweine unter 120 mg/l. Diese bewusste Reduktion unterstreicht die natürliche Charakteristik der Weine und liegt weit unter den gesetzlichen Höchstwerten. So entstehen Weine, die ihre Herkunft authentisch widerspiegeln und chemische Eingriffe auf ein Minimum beschränken.
Stilistik & Sensorik – Rhône-Charakteristik in Reinkultur
Wer die Rotweine der Domaine Pélaquie im Glas dreht, begegnet der südlichen Rhône in ihrer ganzen würzig-fruchtigen Komplexität. Die Grenache-basierten Cuvées entfalten ein Bouquet, das von reifen Kirschen über die herb-aromatischen Noten der Garrigue (jene provenzalische Macchia aus Thymian, Rosmarin und Lavendel) bis hin zu feinwürzigen Akzenten reicht, während die Syrah-Komponente markante Struktur und diese charakteristische pfeffrige Würze beisteuert. Strukturell zeigen sich diese Weine von ihrer elegantesten Seite: seidige Tanninstruktur trifft auf ausgewogene Säure, das Resultat sorgfältiger Extraktion und durchdachter Assemblage verschiedener Parzellen.
Bei den Weißweinen, vornehmlich aus Viognier und Roussanne komponiert, überrascht die aromatische Intensität. Florale Noten verschmelzen mit steiniger Mineralität zu jener charakteristischen Schmelze am Gaumen, die durch partiellen Barrique-Ausbau zusätzliche Komplexität gewinnt. Die Mikrooxidation (kontrollierte Sauerstoffzufuhr während des Ausbaus) verfeinert dabei die Textur, ohne die Frische zu überlagern. Mit Alkoholgehalten zwischen 13,5 und 14,5 Vol.% bewahren beide Weintypen eine elegante Balance, die perfekt die Diversität der Côtes du Rhône widerspiegelt und Tradition mit zeitgemäßer Finesse verbindet.
Flaggsschiff-Cuvées und Sortimentsbreite
Das Sortiment von Domaine Pélaquie offenbart eine klare Hierarchie, in der jede Cuvée ihre eigene Rolle im Gesamtkonzept spielt. An der Spitze steht die "Cuvée des Galets", eine durchdachte Assemblage aus 60% Grenache, 25% Syrah und 15% Mourvèdre, wobei letztere Sorte dem Wein seine charakteristische Tanninstruktur verleiht. Die kontrollierte Fassreifung entwickelt hier sekundäre Aromen von Tabak und Leder, die nicht nur Komplexität schaffen, sondern auch die beeindruckende Lagerfähigkeit von acht bis zwölf Jahren ermöglichen.
Anders konzipiert zeigt sich die "Tradition" Côtes du Rhône als Ausdruck des klassischen Hausstils. Mit 70% Grenache und 30% Syrah bleibt diese Cuvée bewusst fruchtbetont und harmonisch, selbst in jungen Jahren trinkbar. Der überwiegende Tankausbau bewahrt dabei die ursprüngliche Terroir-Expression, ohne dass Holz die primären Aromen überlagert.
Eine völlig andere Facette zeigt der sortenreine Viognier "Les Amandiers" aus einer einzelnen Drei-Hektar-Parzelle auf kalkhaltigem Untergrund. Seine cremige Textur und die komplexen Aromen von Aprikose, Honigmelone und weißen Blüten entstehen durch partiellen Barrique-Ausbau (Reifung in 225-Liter-Eichenfässern), der dem Wein jene charakteristische Schmelze am Gaumen verleiht, die das Potenzial des Viogniers in der südlichen Rhône eindrucksvoll demonstriert.
Signatur & Entwicklung – Generationenwechsel als Chance
Seit 2010 weht ein neuer Wind durch die Domaine Pélaquie, ohne dass dabei die Fundamente wanken. Der Generationswechsel brachte jene seltene Mischung aus Respekt und Aufbruch, die große Weingüter prägt. Die dritte Generation verfeinerte vor allem die Assemblage (Verschnittkunst verschiedener Rebsorten oder Parzellen), wodurch die Weine an psychologischer Tiefe und Ausdruckskraft gewannen. Das klingt abstrakt, zeigt sich aber konkret im Glas.
Besonders clever war die Einführung kontrollierter Mikrovinifikationen. Diese kleinteiligen Experimente mit ausgewählten Parzellen erlauben es, das vielschichtige Terroir Stück für Stück zu verstehen und zu nutzen. Parallel dazu wechselte man zu größeren Holzfässern, den 500-Liter-Tonneaux, die eine sanftere Integration der Holznoten ermöglichen, ohne die natürliche Fruchtstruktur zu überlagern. Subtilität statt Dominanz.
Ein Wendepunkt war 2015 die Einführung der selektiven Handlese in mehreren Durchgängen. Diese aufwendige Methode sichert homogen gereifte Trauben und spiegelt sich direkt in der Intensität der Weine wider. Was zunächst nach Mehrarbeit aussieht, erweist sich als Investition in Präzision. Die Qualitätssteigerung ist messbar.
Die Philosophie bleibt dabei unverändert: Terroir respektieren, im Weinberg die Basis legen, im Keller vollenden. Diese Symbiose aus bewährter Tradition und gezielter Innovation erlaubt es der Domaine Pélaquie, ihre Identität zu bewahren und gleichzeitig neue Wege zu erkunden. Das Ergebnis sind Weine, die sowohl Herkunft als auch Handschrift tragen.
Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektiven
Seit 2018 folgt die Domaine Pélaquie den Prinzipien der Agriculture Raisonnée (nachhaltiger Weinbau), einem Ansatz, der weit über bloße Schädlingsbekämpfung hinausgeht. Diese Methode fördert bewusst die natürliche Biodiversität in den Weinbergen und ebnet zugleich den Weg zur mittelfristigen Umstellung auf biologische Bewirtschaftung. Raubmilben übernehmen bereits heute zentrale Aufgaben in der biologischen Schädlingskontrolle, ein System, das Chemie durch Ökologie ersetzt.
Der Klimawandel zwingt auch die Rhône zu neuen Strategien. Seit 2020 kommen in besonders exponierten Parzellen wassersparende Tröpfchenbewässerungssysteme zum Einsatz, eine Maßnahme, die nicht nur Ressourcen schont, sondern auch in extremen Hitzejahrgängen die Weinqualität stabilisiert. Diese technische Präzision zeigt, wie sich traditioneller Weinbau an veränderte klimatische Realitäten anpassen lässt, ohne seine Identität zu verlieren.
Besondere Aufmerksamkeit gilt den Vieilles Vignes, jenen alten Rebstöcken, deren Wert mit den Jahren steigt. Einige Grenache-Parzellen sind über 70 Jahre alt und haben Wurzelsysteme entwickelt, die tief in den Boden reichen. Diese alten Reben liefern nicht nur besonders konzentrierte und terroir-authentische Trauben, sondern verkörpern auch eine lebendige Verbindung zur Vergangenheit des Gutes.
Mit Blick in die Zukunft erforscht das Weingut systematisch autochthone, hitzeresistente Rebsorten der Rhône-Region. Diese Arbeit zielt darauf ab, das Sortimentspektrum zu erweitern und langfristig auf heimische Arten zu setzen, die den klimatischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte besser gewachsen sind als internationale Standardsorten.