Weingut Tagaro – Apulien
Dort, wo Italiens Stiefelabsatz von 300 Sonnentagen im Jahr geprägt wird und die Winde zweier Meere das Mikroklima dirigieren, liegt das Weingut Tagaro. Von außen betrachtet ist es ein Sinnbild für Apulien – Sonne, rote Erde, alte Reben. Doch hinter dieser mediterranen Kulisse steckt eine stille Revolution. Gegründet in einer Zeit, als die Region vor allem für anonymen Fasswein stand, verkörpert Tagaro heute den Wandel von schierer Quantität zu kompromissloser, terroirgetriebener Qualität. Die Weine, die hier entstehen, fordern das Klischee vom wuchtigen Süditaliener heraus. Sie erzählen eine Geschichte von Präzision, Geduld und der Kunst, Apuliens intensive Kraft in Eleganz zu übersetzen.
Tagaro Weingut – Apulische Qualität mit charakteristischer Handschrift
Wer das Tagaro Weingut besucht, steht inmitten einer Landschaft, die Weinbau zur Perfektion treibt. Hier, wo 300 Sonnentage pro Jahr die Rebstöcke reifen lassen und warme Meeresbrisen von der Adria für natürliche Kühlung sorgen, hat sich seit den 1960er Jahren ein Familienbetrieb etabliert, der apulische Tradition mit moderner Präzision verbindet. Die Familie Tagaro führt das Weingut heute in der dritten Generation und hat es zu einem der respektiertesten Produzenten der Region entwickelt.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Über 50 Hektar Rebfläche erstrecken sich durch die prestigeträchtigen DOC-Gebiete Salento und Primitivo di Manduria, aus denen jährlich etwa 400.000 Flaschen entstehen. Die Reben wachsen im traditionellen Alberello-System, einer jahrhundertealten Buschform, die in der intensiven Hitze Apuliens für optimalen Wasserhaushalt sorgt und die Trauben vor der süditalienischen Sonne schützt. Diese Erziehungsform ist mehr als nur Tradition, sie ist klimatische Notwendigkeit.
Das Handwerk bei Tagaro folgt dem Prinzip der minimalen Intervention. Schonende Handlese und spontane Vergärung mit wilden Hefen stehen im Zentrum der Weinbereitung, um die charakteristische Terroirprägung der Weine aus Apulien unverfälscht zum Ausdruck zu bringen. Dabei vertraut die Familie auf natürliche Prozesse, die Zeit brauchen, aber authentische Resultate liefern.
Die Geschichte und Entstehung des Tagaro Weingutes
In den frühen 1960er Jahren, als Apulien noch vom anonymen Fassweingeschäft geprägt war, gründete Vincenzo Tagaro sein Weingut nach bewährtem Muster jener Ära. Die Weintradition folgte dem Prinzip der Masse, Trauben wurden an größere Kellereien der Region geliefert, Qualität war ein nachrangiger Gedanke. Doch dieser Weg sollte nicht von Dauer sein.
Der entscheidende Generationswechsel kam drei Jahrzehnte später, als Angelo Tagaro die Leitung übernahm und eine radikale Qualitätswende einleitete. Ertragsreduzierung um 40 Prozent, Fokus auf Flaschenfüllung, Abschied vom anonymen Fassweingeschäft. Bereits 1997 gelangen erste Exporterfolge in Deutschland und den USA, zu einer Zeit, als apulische Weine international kaum Beachtung fanden. Es gibt einen Mythos, alte Primitivo-Reben würden automatisch bessere Weine liefern. Heute weiß man dank Mikrovinifikationen (kontrollierte Kleinstvinifizierung zur Qualitätsprüfung): Reben zwischen 15 und 30 Jahren erreichen die höchste Qualität. Die dritte Generation unter Marco und Francesca Tagaro setzt seit 2015 verstärkt auf biologischen Anbau, 60 Prozent der Rebflächen sind bereits umgestellt. Das Ziel einer vollständigen Biozertifizierung bis 2026 unterstreicht die Authentizität dieses Transformationsprozesses von der Quantität hin zur kompromisslosen Qualität.
Das Terroir von Tagaro – Zwischen zwei Meeren
Zwischen Ionischem und Adriatischem Meer gelegen, profitieren die Weinberge von Tagaro von einem konstanten Meereseinfluss, der selbst bei sommerlichen Spitzentemperaturen von 40 Grad Celsius für erfrischende Brisen sorgt und das lokale Mikroklima nachhaltig prägt. Der vorherrschende Bodentyp Terra Rossa, ein eisenhaltiges Gemisch aus Lehm und Kalkstein, verleiht den Weinen ihre charakteristische Mineralität und zwingt die Reben bei jährlichen Niederschlagsmengen von nur 400 bis 500 Millimetern zu einer intensiven, tiefgreifenden Wurzelbildung.
Besonders faszinierend zeigt sich das Mikroklima in den höher gelegenen Parzellen bis 350 Meter Seehöhe, wo Temperatursprünge von bis zu 20 Grad zwischen Tag und Nacht die aromatische Finesse weißer Sorten wie Fiano fördern und komplexe Strukturen entstehen lassen. Die bewusste Trockenheit im Weinberg, bei der Bewässerung ausschließlich bei Jungpflanzen erfolgt, verstärkt die Konzentration der Inhaltsstoffe, während ältere Primitivo-Stöcke mit ihren bis zu 15 Meter tiefen Wurzeln selbst extreme Dürreperioden meistern und dabei eine beeindruckende mineralische Komplexität entwickeln.
Die klimatischen Bedingungen Apuliens und ihr Einfluss auf die Tagaro-Weine
Das Licht in Apulien arbeitet wie ein Uhrmacher an der Rebe. 2.500 Sonnenstunden pro Jahr machen diese Region zu einem der sonnigsten Weinbaugebiete Europas, und bei Tagaro führt diese Generosität zu jener physiologischen Reife (vollständige Ausreifung aller Traubenkomponenten), die sich in der intensiven Farbtiefe und konzentrierten Fruchtaromatik der Rotweine widerspiegelt. Es gibt einen Mythos, apulische Hitze produziere automatisch überreife, alkoholschwere Weine. Heute weiß man dank präziser Erntetechnik das Gegenteil: Nächtliche Lese und selektive Handlese in den frühen Morgenstunden bewahren Frische und Balance.
Zwei Winde dirigieren das Mikroklima wie Gegenspieler auf einer Bühne. Der kühle Tramontana aus dem Norden und der feucht-warme Scirocco aus Afrika bestimmen den Reifeverlauf, wobei die Winzer von Tagaro ihre jahrzehntelange Erfahrung nutzen, um jeden Lesezeitpunkt millimetergenau anzupassen. Besonders faszinierend wirken die salzhaltigen Meereswinde, die eine natürliche Pilzresistenz in den Weinbergen fördern und damit den biologischen Weinbau erleichtern. Gleichzeitig verleihen sie den Rosati und Weißweinen des Hauses jene subtile salzige Mineralität, die wie eine Unterschrift aus Meer und Stein wirkt.
Philosophie und Handwerkskunst bei Tagaro
Im Keller regiert ein klares Prinzip: respektvolle Evolution. Jean-Claude Tagaro ehrt die jahrhundertealten Traditionen apulischen Weinbaus, integriert jedoch moderne Techniken dort, wo sie Qualität und Ausdruck fördern. Diese Balance beginnt bereits im Weinberg, wo konsequente Handarbeit den Takt vorgibt. Die grüne Lese (Ausdünnung unreifer Trauben zur Ertragsreduzierung) erfolgt ebenso manuell wie die spätere selektive Handlese, bei der die Trauben zunächst in kleinen 15-Kilogramm-Kisten gesammelt und anschließend auf Sortiertischen nochmals von ungeeignetem Lesegut befreit werden.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Erhalt alter, autochthoner Rebsorten wie Nero di Troia oder Susumaniello. Seit 2010 unterhält Tagaro ein eigenes Rebvermehrungsprogramm, das genetisches Material von über achtzig Jahre alten Reben bewahrt und für Neupflanzungen nutzt. Im Keller folgt man dem Prinzip der minimalen Intervention, wobei die Maischegärung je nach Rebsorte und Weinstil zwischen acht und fünfundzwanzig Tagen variiert. Bewusst verzichtet man auf übermäßige Extraktion, um Eleganz und Trinkfluss der Weine zu bewahren und gleichzeitig die gewachsene Tradition zu respektieren.
Anbaumethoden und Handlese als Qualitätsfaktoren
Fünfmal pro Saison wird jeder Rebstock bei Tagaro von Hand bearbeitet. Während ringsum in Apulien die Mechanisierung voranschreitet, setzt man hier bewusst auf intensive manuelle Laubarbeit. Jede Rebe wird individuell gepflegt, um optimale Belüftung der Trauben und ausgewogene Beschattung zu gewährleisten. Seit 2018 verzichtet das Weingut komplett auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz und arbeitet stattdessen mit traditionellen Mitteln wie Schwefel- und Kupferpräparaten, ergänzt durch moderne biologische Ansätze. Antagonisten-Mikroorganismen werden als natürliche Gegenspieler gegen Schadpilze eingesetzt.
Es gibt den verbreiteten Mythos, biologischer Pflanzenschutz sei in heißen Regionen einfacher zu handhaben. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade die plötzlichen Regenschauer im Frühjahr und Herbst fallen wie ein Paukenschlag über die Weinberge und erfordern extrem schnelles, flexibles Management. Peronospora (Falscher Mehltau) breitet sich ohne systemische Fungizide rasend aus und zählt zu den größten Weinbau-Herausforderungen der Region. Das ist komplexer, als es scheint. Die selektive Lese erfolgt in mehreren Durchgängen, damit nur Trauben mit perfektem Reifegrad in die Kelter gelangen.