Canicattì: Das sizilianische Weingut im Herzen Agrigents
Im südwestlichen Hinterland von Agrigento, wo mediterrane Wärme auf kalkreiche Böden trifft und die Höhenlagen zwischen dreihundert und sechshundert Metern für kühlende Nachttemperaturen sorgen, schreibt die CVA Canicattì seit 1969 konsequent an ihrer Vision kollektiver Qualität. Was als Zusammenschluss von dreißig lokalen Winzern in der gleichnamigen Stadt begann, vereint heute über dreihundert Winzerfamilien unter einem gemeinsamen Dach. Diese Genossenschaft Sizilien beweist eindrucksvoll, dass geteiltes Wissen und gebündelte Ressourcen mehr erreichen können als Einzelkämpfertum.
Auf mehr als tausend Hektar Rebfläche entfaltet sich hier das weinbauliche Potenzial von Sizilien in seiner ganzen Klarheit. Die Wurzeln reichen tief in die Antike zurück, als griechische Siedler im achten Jahrhundert vor Christus die ersten Rebstöcke auf die Insel brachten und damit eine Tradition begründeten, die bis heute anhält. Heute produziert dieses sizilianische Weingut etwa sieben Millionen Flaschen jährlich und demonstriert dabei, wie sich handwerkliche Präzision mit moderner Kellertechnik zu einem stimmigen Ganzen fügen lässt. Das Terroir spricht eine deutliche Sprache: Kalk, Lehm und die thermischen Unterschiede zwischen Tag und Nacht schaffen ideale Voraussetzungen für Weine mit Struktur und mediterranem Charakter.
Die Geschichte der CVA Canicattì
1969 versammelten sich dreißig Winzer aus Canicattì zu einer entscheidenden Sitzung. Ihre Erkenntnis war so einfach wie radikal: Nur gemeinsam könnten sie ihrer sizilianischen Weinkooperative das nötige Gewicht für internationale Märkte verleihen. Der Name ihrer Stadt erzählt dabei von jahrhundertelanger Verwandlung: Canicattì geht auf das arabische „Qal'at al-Qisad" zurück, übersetzt „Burg der Frauen". Ein Verweis auf die vielschichtige kulturelle Prägung, die bis heute die Weinbautradition Sizilien formt.
Es gibt einen Mythos, wonach die Geschichte Canicattì erst in den 2000er-Jahren qualitativ hochwertige Weine hervorbrachte. Heute weiß man dank Archivrecherchen: Bereits die 1980er-Jahre markierten erste Qualitätsoffensiven durch gezielte Rebsortenselektion und moderne Kellertechnik. Die frühen 2000er verstärkten diese Entwicklung erheblich. Investitionen in nachhaltige Weinbergsbewirtschaftung und temperaturkontrollierte Gärung führten zu signifikanten Qualitätssteigerungen. Das Ergebnis: internationale Anerkennung und die Position als Flaggschiff sizilianischer Kooperativarbeit.
Terroir und Mikroklima: Die Basis der Weine von Canicattì
Wenn die Sonne tagsüber auf 40 Grad klettert und nachts auf 18 Grad fällt, entstehen jene Spannungsfelder, die Canicattì von anderen sizilianischen Weingebieten unterscheiden. Die Höhenlagen zwischen 300 und 600 Metern über dem Meer wirken hier wie ein natürlicher Thermoregler, der während der heißen Sommermonate für jene Säurespannung sorgt, die sonst im flachen Sizilien selten zu finden ist. Diese mediterrane Klimazone zwischen Agrigent und den ersten Ausläufern der afrikanischen Wüstenexpressen schafft Konzentration ohne Schwere.
Die sizilianischen Böden erzählen eine vielschichtige geologische Geschichte. Das Kalkstein-Mergel-Fundament, durchsetzt mit sandigen Lehmböden (den sogenannten argille sabbiose, tonhaltigen Sandböden), fungiert als natürlicher Wasserspeicher und Mineralienlieferant zugleich. Diese Bodenmischung verleiht den Weinen jene kristalline Struktur, die moderne sizilianische Gewächse von plumper Süße befreit und mineralische Finesse über pure Kraft stellt.
Mit 300 Sonnentagen und nur 400 bis 500 Millimetern Jahresniederschlag herrscht ein kalkuliertes Wasserdefizit, das zur natürlichen Konzentration der Traubeninhaltsstoffe führt. Der Scirocco-Wind aus der Sahara trifft auf kühlende Meeresbrisen und schafft ein sizilianisches Mikroklima, das Extreme ausbalanciert. Hier entsteht jene charakteristische Spannung zwischen mediterraner Wärme und mineralischer Frische, die den Canicattì-Weinen ihre unverwechselbare Signatur verleiht.
Die besonderen Weinlagen von Canicattì
Sechs Gemeinden teilen sich das Privileg, Weinberg Siziliens zu beherbergen: Canicattì selbst, dazu Campobello di Licata, Naro, Camastra, Castrofilippo und Racalmuto. Jede Parzelle erzählt ihre eigene Geschichte, geprägt von spezifischen Mikroklimata, die wie unsichtbare Hände über das Land streichen. Die wertvollsten Lagen liegen zwischen 500 und 600 Metern Höhe, wo der Höhenlage Weinbau von extremen Temperaturschwankungen profitiert, die bis zu zwanzig Grad zwischen Tag und Nacht betragen können. Diese diurnal range (tägliche Temperaturdifferenz) wirkt wie ein natürlicher Thermostat, der die Säurestruktur bewahrt und die Aromenbildung intensiviert. Südosthänge geben Nero d'Avola und Grillo optimale Bedingungen, während kühlere Nordwestlagen internationalen Sorten wie Chardonnay Heimat bieten. Den Höhepunkt bildet die Contrada Aquilata mit ihren über fünfzigjährigen Rebstöcken, alte Reben, die wie ehrwürdige Patriarchen hochkonzentrierte Trauben für die Spitzenlinien des Hauses liefern.
Die wichtigsten Rebsorten von Canicattì
Sizilien ist ein Rebsorten-Kaleidoskop, und Canicattì beherrscht diese Vielfalt mit der Gelassenheit eines erfahrenen Dirigenten. Nero d'Avola führt das Ensemble an und bedeckt etwa sechzig Prozent der Anbaufläche. Diese autochthone Rebsorte entwickelt rubinrote Tiefe mit bemerkenswert intensiven Fruchtaromen, zeigt dabei eine ausgezeichnete Lagerfähigkeit und bildet das unbestrittene Flaggschiff des Hauses. Daneben kultiviert Canicattì weitere sizilianische Originale: Grillo bringt mineralische Präzision in die Weißweine, während Inzolia für strukturierte Eleganz sorgt und Frappato zugängliche, fruchtbetonte Rotweine hervorbringt.
Seit zwei Jahrzehnten ergänzen internationale Varietäten das Portfolio. Syrah, Merlot und Cabernet Sauvignon sowie Chardonnay und Viognier werden geschickt als Assemblage (Verschnitt verschiedener Rebsorten) mit den heimischen Sorten verbunden. Besondere Aufmerksamkeit verdient der lange unterschätzte Catarratto, eine ursprünglich sizilianische weiße Rebsorte, die durch schonende Vinifikation ihr bemerkenswertes Potenzial für komplexe, entwicklungsfähige Weißweine offenbart und dabei zeigt, dass Tradition und Innovation keine Gegensätze sein müssen.
Es gibt den Mythos, Nero d'Avola bringe ausschließlich schwere, alkoholreiche Weine hervor. Heute weiß man dank präziser Kellertechnik: Bei früher Lese und behutsamer Vinifikation entstehen elegante, säurebetonte Weine mit durchaus moderatem Alkoholgehalt.
Handwerkskunst und Tradition: Die Weinphilosophie von Canicattì
Im Keller von Canicattì riecht es nach Zeit und Geduld. Hier verschmelzen sizilianische Weinbautradition und moderne Kellertechnik zu einem Ansatz, der das Terroir sprechen lässt, ohne es zu überreden. Das Weingut praktiziert biologischen Weinbau mit einer Präzision, die in der Handarbeit beginnt und in der Flasche endet.
Die vendemmia selettiva (selektive Handlese) entscheidet bereits im Weinberg über die Qualität. Nur vollreife, gesunde Trauben gelangen in die Verarbeitung. In den Rebzeilen setzt man verstärkt auf Inerbimento (kontrollierte Begrünung zwischen den Rebstöcken), um Bodengesundheit und Biodiversität zu fördern. Chemische Düngemittel weichen natürlichen Kreisläufen. Diese biodynamischen Prinzipien schaffen Weine mit klarer Herkunftsprägung.
Bei der Vinifikation vertraut Canicattì auf fermentazione controllata (temperaturkontrollierte Gärung). Weißweine gären bei 14 bis 16 Grad, Rotweine bei 24 bis 28 Grad. Diese schonende Verarbeitung bewahrt sortentypische Aromen optimal. Für den Ausbau der Premium-Linien nutzt das Weingut traditionelle Botti grandi ebenso wie französische und amerikanische Barriques. Der Holzeinfluss bleibt stets dezent, die Fruchtaromatik behält das letzte Wort.
Sizilianische Weinbautradition trifft modernes Kelterhandwerk
Ein Drahtseilakt zwischen Überlieferung und Präzision bestimmt die Kellerphilosophie von Canicattì. In den älteren Weinbergen steht noch die traditionelle Alberello-Erziehung (Buschform), jene niedrige Wuchsform, die seit Jahrhunderten sizilianische Reben vor den sengenden Scirocco-Winden und der intensiven Mittelmeersonne schützt. Doch an diese historische Grundlage knüpft das Weingut moderne Verfahren wie die gezielte Traubenvorentblätterung, die Licht und Luft exakt dorthin lenkt, wo sie gebraucht werden.
Bei den Premium-Linien setzt Canicattì auf eine verlängerte Maischestandzeit (Kontakt zwischen Saft und Schalen) von bis zu zwanzig Tagen, wodurch Rotweinen mehr Farb- und Gerbstofftiefe entlockt wird, während Weißweine durch kurze Schalenkontaktphasen an Struktur und aromatischer Vielschichtigkeit gewinnen. Faszinierend ist die Anwendung der Kaltvergärung bei ausgewählten Weißweinen, bei der die Maische vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden bei fünf bis acht Grad Celsius ruht, bevor die eigentliche Gärung beginnt.
Chamäleon gleich passt sich die Behandlung der Malo (biologischer Säureabbau) an jede Rebsorte an. Rotweine durchlaufen sie meist vollständig für rundere, geschmeidigere Profile, während sie bei vielen Weißweinen bewusst unterdrückt wird, um deren kristalline Frische zu bewahren. Diese differenzierte Herangehensweise zeigt, wie präzise Canicattì jeden Jahrgang und jede Parzelle individuell liest und behandelt.
Die Weinkollektion von Canicattì: Charaktervolle Sizilianer
Drei Linien erzählen hier eine Geschichte der Klarheit. Das Portfolio von Canicattì folgt einer Logik, die Weinliebhabern entgegenkommt: von zugänglichen Alltagsbegleitern bis hin zu strukturierten Gewächsen, die Zeit brauchen und Zeit schenken. Diese Hierarchie ist kein Marketing, sondern Handwerk.
Die Basis bildet "Terre di Sicilia" mit frischen, direkten Weinen aus autochthonen Rebsorten wie Grillo und Nero d'Avola. Hier zeigt sich sizilianisches Temperament ohne Umschweife: sonnig, kraftvoll, aber nie schwer. Diese Weine öffnen sich sofort und erzählen von mediterraner Leichtigkeit. Darüber steht "Aynat" (arabisch für Quelle), wo die CVA Canicattì ihre besten Parzellen sprechen lässt. Alte Nero d'Avola-Reben und selektierter Catarratto durchlaufen hier eine verlängerte Mazeration (kontrollierte Einweichung der Schalen) und reifen teilweise in französischen Barriques (kleine Eichenfässer von 225 Litern).
Das Ergebnis dieser Arbeit zeigt sich besonders im "Aynat Nero d'Avola Riserva": Anfangs geprägt von dunkler Beerenfrucht und würzigen Noten, entwickelt er über zehn bis fünfzehn Jahre eine elegante Tertiäraromatik (Reifearomen) von Leder, getrockneten Kräutern und mediterranen Gewürzen. Der sortenreine Inzolia "Donna Fugata" verbindet sizilianische Tradition mit kontrollierter Gärung bei niedrigen Temperaturen und kurzer Hefelagerung. So entstehen Weißweine von überraschender Komplexität und mineralischer Präzision.