Domaine de Martinolles – Zwischen Abtei, Kalkböden und moderner Präzision
Unweit der Abtei Saint-Hilaire, dort wo sich Klostergemäuer in die Hügel des Languedoc schmiegen, liegt die Domaine de Martinolles wie ein lebendiges Archiv südfranzösischer Weinbaukunst. Hier, auf kalkhaltigen Lehmböden marinen Ursprungs, verbindet sich seit 1898 monastische Tradition mit präziser Kellertechnik – ein Drahtseilakt zwischen Vergangenheit und Zukunft, der in jedem Glas spürbar wird. Jean Claude Mas und die Geschwister Vergnes haben aus dieser historischen Verankerung eine Philosophie entwickelt, die das mediterrane Terroir nicht überwältigt, sondern verfeinert. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch wirkt – Ehrfurcht vor der Blanquette-Tradition bei gleichzeitiger Terra Vitis-Zertifizierung –, entpuppt sich als durchdachte Strategie: Authentizität durch Innovation zu bewahren, statt sie zu konservieren.

terroir & klima der domaine de martinolles
Kalkhaltige Lehmböden marinen Ursprungs prägen das Terroir (Zusammenspiel von Boden, Klima und Rebsorte) der Domaine de Martinolles unweit der historischen Abtei Saint-Hilaire. Diese geologische Basis verleiht den Weinen ihre charakteristische Mineralität, während das mediterrane Klima des Languedoc für die nötige Reife sorgt. Das Spannungsfeld zwischen warmen Tagen und kühleren Nächten schafft jene Balance, die sich in den drei Appellationen Blanquette de Limoux, Crémant de Limoux und IGP D'Oc widerspiegelt.
Auf 100 Hektar nutzt das Gut die Höhenlagen gezielt aus. Tag-Nacht-Temperaturschwankungen von bis zu zehn Grad bewahren die Säurestruktur und halten die Frische lebendig. Ein präzises Beispiel für diese Terroir-Logik zeigt der Pays D'Oc Viognier, entstanden aus 100 Prozent Viognier-Trauben auf kalkhaltigem Lefkalkmergel. Nächtliche Handlese und vierwöchige kontrollierte Gärung (temperaturgeführte Vergärung bei konstant niedrigen Graden) bewahren die aromatische Präzision. Nach der alkoholischen Gärung läuft die Malo (biologischer Säureabbau) nur teilweise ab, was dem Wein seine lebendige Struktur erhält. Hier zeigt sich, wie Geologie und Handwerk ineinandergreifen.
saint-hilaire und die abtei-tradition
Die Abtei Saint-Hilaire markiert den geografischen Ursprung einer der ältesten Schaumweintraditionen Frankreichs. Hier, im Herzen des Languedoc, entstand bereits im 16. Jahrhundert die Blanquette de Limoux durch monastische Weinproduktion. Diese historischen Wurzeln prägen bis heute die Identität der Domaine de Martinolles.
Seit der Gründung 1898 verbindet das Weingut systematisch überliefertes Wissen mit präzisen önologischen Methoden. Der monastische Ansatz des traditionellen Weinbaus wird durch kontrollierte Gärführung und moderne Kellertechnik ergänzt. Ähnlich arbeitet das italienische Traditionshaus Gaja, das seit 1859 piemontesische Weinbaukultur mit internationalen Rebsorten und innovativer Vinifikation kombiniert.
Die Blanquette-Methode der Abtei bleibt das Fundament, während zeitgenössische Verfahren die regionale Stilistik schärfen. Jeder Wein trägt sowohl das historische Erbe als auch die Präzision moderner Handwerkskunst in sich.

kalkböden und mediterranes mikroklima
Kalk prägt hier alles. Die marinen Sedimente, die einst den Meeresboden bildeten, liefern heute das Fundament für jene straffe Mineralität, die Martinolles-Weine unverwechselbar macht. Diese kalkhaltigen Lehmböden drainieren perfekt und zwingen die Reben zu tiefem Wurzelwerk, wodurch sich jene konzentrierte Spannung entwickelt, die später in der Flasche zur vollen Entfaltung kommt. Das mediterrane Mikroklima mit seinen warmen Tagen und erfrischend kühlen Nächten dehnt die Reifezeit, lässt komplexe Aromavorstufen entstehen, die durch die méthode traditionnelle (traditionelle Flaschengärung) ihre ganze Finesse zeigen. Was hier wächst, trägt bereits den Fingerabdruck seiner Herkunft.
Die Hefelagerung über Monate hinweg verleiht den Crémants jene cremige Textur und Tiefe, die nur durch Geduld entsteht. Dieses präzise Zusammenspiel von Boden, Klima und Handwerk zeigt sich auch bei der Kellerei Nals Margreid, die ebenfalls unterschiedliche Terroirs gezielt für verschiedene Weinstile nutzt. Beide Betriebe demonstrieren, wie durchdachte Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten Weine von außergewöhnlicher Klarheit und regionaler Authentizität hervorbringt.
philosophie & handwerk im languedoc
Die Überzeugung steckt in jedem Detail. Bei Domaine de Martinolles bedeutet die Terra Vitis-Zertifizierung (nachhaltige Weinbaubewertung) mehr als ein Siegel auf der Flasche. Sie ist Ausdruck einer Haltung, die Qualität und ökologische Verantwortung als untrennbare Einheit begreift. Jede Entscheidung im Weinberg, jeder Handgriff im Keller wird von dieser Philosophie geleitet.
Jean Claude Mas und die Geschwister Vergnes choreografieren diesen Drahtseilakt zwischen Tradition und Präzision mit beeindruckender Souveränität. Ihre nächtliche Handlese bewahrt die Aromafrische der Trauben, während kontrollierte Gärtemperaturen und selektiver Barrique-Ausbau für 15 Prozent der Produktion dem Wein strukturelle Tiefe verleihen. Nach der Vergärung läuft die Malo (biologischer Säureabbau) ab, wodurch die Weine an Textur und innerer Ruhe gewinnen.
Diese präzise Kellertechnik zeigt ihre Kraft besonders eindrucksvoll, wie der Pays D'Aude Pinot Noir aus 2021 zeigt. Mit 13 Volumenprozent Alkohol verkörpert er, was durch kluge Lagenauswahl und Temperaturführung in südlichen Gefilden möglich wird: elegante Rotweine mit Charakter statt bloßer Kraft. Hier wird die Typizität des Languedoc nicht überwältigt, sondern verfeinert.
nachhaltige weinbergsarbeit bei terra vitis
Die Terra Vitis-Zertifizierung verpflichtet zu präzisen Anbaumethoden, die über herkömmlichen ökologischen Weinbau hinausreichen. Bei der Domaine de Martinolles bedeutet das systematischen Verzicht auf chemische Pestizide und gezielte Förderung der Biodiversität. Diese Praxis wirkt direkt auf die Terroir-Expression der Weine zurück.
Die Geschwister Vergnes haben Bodengesundheit und Wassermanagement zu einem durchdachten System entwickelt. Natürliche Schädlingsbekämpfung ersetzt chemische Eingriffe, wodurch die Mikroorganismen im Boden aktiv bleiben. Das Ergebnis sind Trauben, die das Languedoc-Terroir ungefiltert widerspiegeln und den Weinen ihre charakteristische Klarheit verleihen.
Während Ornellaia seit 2006 als Nachhaltiges Unternehmen auf 115 Hektar verantwortungsvolle Produktion praktiziert, zeigt auch Martinolles durch Terra Vitis, wie ökologische Bewirtschaftung und Qualität ineinander greifen. Beide Häuser beweisen, dass Umweltverantwortung und önologische Präzision sich verstärken, statt zu konkurieren.

jean claude mas und die geschwister vergnes
Jean Claude Mas fungiert als Motor der Domaine de Martinolles. Seine jahrzehntelange Languedoc-Expertise zeigt sich in der Art, wie er regionale Typizität mit moderner Kellertechnik verbindet. Jeder Jahrgang trägt seine Handschrift: strukturiert, frisch, ohne unnötige Konzessions an Modetrends. Mas versteht es, das Potenzial der Region auszuschöpfen, ohne ihre Eigenarten zu verwässern.
Die Geschwister Vergnes ergänzen diese Erfahrung durch ihren kompromisslosen Qualitätsanspruch. Sie setzen auf späte Handlese, kontrollierte Gärtemperaturen und Ausbau auf der Feinhefe (Sur-lie-Reifung für mehr Textur und Mundgefühl). Diese Sorgfalt zeigt sich besonders im Martinolles Chardonnay: Nase von Haselnuss und tropischer Frucht, am Gaumen Struktur zwischen Steinobst und floralen Noten, dazu jene cremige Textur, die aus monatelanger Hefelagerung entsteht. Der biologische Säureabbau (Malo) verleiht ihm zusätzliche Rundung.
Das Winzerteam von Martinolles beweist, dass nachhaltiger Weinbau und zugängliche Preise kein Widerspruch sind. Ihre Philosophie der respektvollen Bodenbearbeitung nahe der Abtei Saint-Hilaire schafft Weine mit klarer Herkunftsprägung. Präzision statt Perfektion, könnte man sagen. Genau das macht ihre Languedoc-Expertise so überzeugend.
stilistik & sensorik der martinolles-weine
Was in den Gläsern von Domaine de Martinolles entsteht, trägt eine unverwechselbare Handschrift aus kühler Mineralität und südfranzösischer Leichtigkeit. Diese Eleganz durchzieht das gesamte Spektrum, von den perlenden Crémants bis zu den strukturierten Stillweinen, und verbindet mediterrane Wärme mit präziser Frische auf bemerkenswerte Weise.
Die Crémants zeigen sich zitrusfruchtig und mineralisch geprägt, während die Viognier-Weine aromatische Komplexität mit jener charakteristischen Spannung vereinen, die das Terroir prägt. Die Pinot Noir-Cuvées wiederum demonstrieren Struktur ohne Schwere und tragen diese typische Handschrift aus Präzision und Ausgewogenheit. Ähnlich dem Gardasee-Weingut Cà dei Frati, das mit seinem Lugana die Turbiana-Rebsorte zu frischen, mineralischen Weißweinen formt, verfolgt Martinolles eine Philosophie der Terroir-Betonung gepaart mit handwerklicher Finesse.
Die Qualität dieser Herangehensweise spiegelt sich in externen Bewertungen wider. The Real Review vergab für verschiedene Jahrgänge mehrere "Bronze Ribbons" und "Top Value Ribbons", so erhielt der Chardonnay 2021 mit 23 AUD und der Pinot Noir 2019 mit 17 AUD entsprechende Auszeichnungen. Die Preisgestaltung zwischen 8,50 € und 23 € reflektiert dabei eine demokratische Grundhaltung, bei der Eleganz und Qualität zugänglich bleiben sollen, ohne dass Luxusansprüche die Auswahl dominieren.
crémant de limoux und blanquette-tradition
1531 entdeckten Benediktinermönche der Abtei Saint-Hilaire etwas Bemerkenswertes. In ihren Kellern begann der Wein zu perlen, ohne ihr Zutun. Das war die Geburt der Blanquette de Limoux, einer der ältesten Schaumweintraditionen der Welt. Was damals Zufall war, ist heute Präzision.
Die traditionelle Blanquette baut auf Mauzac auf, mindestens 90 Prozent dieser autochthonen Rebsorte bestimmen ihren Charakter. Mauzac bringt grüne Apfelnoten und die Frische von geschnittenem Gras mit sich. Das ist der Grundstein. Der Crémant de Limoux hingegen nutzt eine andere Strategie: Chardonnay und Chenin Blanc bilden das Rückgrat, ergänzt durch Mauzac und Pinot Noir. Diese Cuvée zeigt, was die Domaine de Martinolles kann, wenn internationale Rebsorten auf lokales Terroir treffen.
Entscheidend ist die méthode traditionnelle, die klassische Flaschengärung. Nach der erste Gärung kommt eine zweite in der Flasche, dort bildet sich die Perlage. Mindestens neun Monate reifen diese Schaumweine auf der Hefe, ein Prozess, den Winzer Autolyse nennen. Die abgestorbenen Hefen geben Geschmack und Textur ab, verleihen dem Wein seine feine Struktur und die charakteristische Cremigkeit.
Terra Vitis-Zertifizierung und jahrhundertealte Handwerkskunst gehen hier Hand in Hand. Tradition wird nicht konserviert, sondern weiterentwickelt. Die Domaine de Martinolles zeigt, wie sich regionale Eigenart und moderne Qualitätsstandards verbinden lassen. Vergangenheit und Zukunft des Languedoc in einem Glas.